- Die schwebenden Nachttische
- Flüsterleise Schubladen für die schwebenden Nachttische
Viel zu lange war ein alter Klapphocker als Ersatz für meinen Nachttisch im Einsatz. Das war kein Zustand. Im ersten Teil dieser Serie habe ich euch berichtet, wie ich meine schwebenden Nachttische gebaut habe. In diesem Artikel geht es darum, wie ich die passenden Schubladen dafür geschreinert habe.
Eigentlich keine schwierige Aufgabe, denkt man sich jetzt. Aber wenn schon Schubladen, dann sollen die auch leise und sanft schließen. Natürlich muss die Front zu den Nachttischen und zum Bett passen. Und wie ihr wisst, handelt es sich ja nicht um schnöde Nachttische, sondern um das „System Nachttisch“. Also muss einiges im Vorfeld schon bedacht werden.
Die passenden Maße
Aus diesem Grund habe ich mir im Vorfeld bei den Maßen der Schubladen Gedanken gemacht. Die Breite der Front war relativ schnell klar. Die Schubladen sollen bündig mit dem Nachttisch abschließen. Dementsprechend sind die Fronten einfach einige Millimeter schmaler als der Platz zwischen den Seitenbrettern des Nachttisches.
Die Höhe der Front ist dann schon etwas schwieriger festzulegen. Der Platz unter der Schublade soll frei bleiben und einen offenen Raum als Ablage bieten. Also musste ich das passende Verhältnis aus Front und Freiraum darunter finden.
Der goldene Schnitt
Immer wenn ich bei Flächen- oder Größenverhältnissen nicht weiter weiß, probiere ich erst mal den goldenen Schnitt aus. Das Prinzip ist schon sehr alt und doch so genial. Schon unser guter Freund Leonardo da Vinci hat darauf vertraut. Und der hat ja ziemlich viele coole Sachen erfunden. Auch gilt der goldene Schnitt als sehr ästhetisches Seitenverhältnis. Was will man also mehr für seine Nachttische?

Der freie Raum unter der Schublade und die Schubladenfront sollen im Verhältnis des goldenen Schnittes zueinander stehen. Dazu teile ich den gesamten freien Raum H zwischen Deckel- und Bodenbrett durch 1,62. Damit habe ich dann die Höhe h des Freiraums unter der Schubladenfront berechnet. Der Differenz H – h wird dann die Front der Schublade h‘. Oder um endlich mal eine Formel hier stehen zu haben:
h'=H-h=H-\frac H {1,62} =H(1- \frac1 {1,62})
Um mir einen besseren Eindruck davon machen zu können, wie es hinterher aussehen würde, habe ich mir Streifen aus Pappe in den entsprechenden Maßen zurechtgeschnitten. Die habe ich dann mit Kreppband an den Nachttisch geklebt. Aus einigen Schritten Entfernung konnte ich dann einen Eindruck von der fertigen Schublade gewinnen.
Ab in die Tiefe
Da ich für das System Nachttisch noch einige Pläne habe, lasse ich hinter der Schublade noch etwas Platz für die Zukunft. Die Schubladen selbst werden also nicht so tief wie der gesamte Nachtisch. So kann ich später dahinter noch Überraschungen verstecken, die von vorne nicht sichtbar sein sollen. Aber sie sind weiterhin von unten erreichbar.
Diese Überlegungen musste ich früh treffen, denn die Länge der Schubladenauszüge orientiert sich an der Länge der Schublade. Zusätzlich musste ich überlegen, wie weit ich die Schublade ausziehen möchte. Es gibt Voll- und Teilauszüge. Der Name ist dabei Programm: entweder man hat Zugriff auf die nahezu volle Fläche der Schublade. Oder aber man kann sie nur ein Stück herausziehen und ein Teil bleibt im Korpus verborgen.
Die Materialauswahl
Da man es nicht ständig sieht und um nicht zu viel wertvolles Holz zu verbrauchen, habe ich mich dazu entschlossen den Schubladenkörper aus Mulitplex zu bauen. Das ist ein Schicht-Sperrholz, dessen einzelne Schichten kreuzweise aufeinander geleimt werden. Das bedeutet, dass die Faserrichtung der einen Schicht um 90° verdreht zur nächsten Schicht verleimt wird. So bekommt es sehr homogene Eigenschaften im Bezug auf Kräfte und Verzug. Also perfekt für die unsichtbaren Elemente von Möbeln. Und daneben lässt es sich auch noch gut verarbeiten.

Die oberste Schicht gibt es in verschiedenen Holzarten und Güten (also z.B. wie viele Astlöcher sichtbar sind). Ich habe mich für den Schubladenkörper für Birke Multiplex entschieden, da es recht hell ist und von Natur aus wenig Astlöcher aufweist. Und da es nebenbei auch relativ günstig ist, habe ich mich dazu entschieden, auch die Fronten erst mal aus Multiplex zu schreinern. Um erst mal meine Theorie zu überprüfen, quasi.
Die einzelnen Teile habe ich mir im Baumarkt meines Vertrauens auf Maß zusägen lassen. Man zahlt das Holz zum Quadratmeterpreis und der Zuschnitt ist gratis. Außerdem kann man sicher sein, dass die Maße auf den Millimeter genau stimmen und alle Winkel genau 90° betragen.
Für den Boden habe ich mich für mitteldichte Faserplatten in 5 mm Stärke entschieden. Die Oberseite ist hellgrau beschichtet. Auch diese Platten bekommt man im Baumarkt im Holzzuschnitt für wenig Geld.
Corpora delicti
Um die Schubladen-Korpusse aufzubauen, waren noch ein paar Vorbereitungen nötig. Mit einem Nutfräser habe ich eine Nut in die Seitenteile sowie die Front und die Rückseite gefräst. In dieser Nut wird später die Bodenplatte gehalten.

Dazu habe ich meine Kantenfräse mit dem Parallelanschlag benutzt. Da die Nut über fast die komplette Breite der Bretter verlaufen muss, habe ich beim Fräsen eine zusätzliche Leiste vor die Teile der Schublade gespannt. Ansonsten wäre der Parallelanschlag über das Ende des Brettes hinausgegangen und die Fräse wäre abgekippt.
Zur Verbindung der Seitenteile und der Front sowie der Rückwand habe ich wieder Eckverbinder wie bei den Korpussen der Nachttische verwendet.

So sind die Verbinder von außen nicht sichtbar und die Schubladen lassen sich später problemlos wieder auseinandernehmen, sollte das mal nötig sein. Auch war gut, dass ich das zuerst mit dem günstigen Holz ausprobiert hatte. Und trotzdem habe ich mich bei einer Front „verbohrt“, wie man auf dem Bild sieht. Wichtig ist auch, die Nut in der Frontplatte nicht komplett durchzuziehen, da man sie sonst später von Außen sieht.
You Could Have a Steam Train…
Das was die Schubladen eigentlich ausmachen – und heutzutage auch kompliziert – sind die Schienen. Danke, Peter Gabriel…
Es gibt eine schier unüberschaubare Vielfalt an verschiedenen Schubladenauszügen. Ich habe mich für Schienen mit soft close entschieden. Das bedeutet einen gedämpften Einzug der letzten paar Millimeter. Nachdem ich mich für einen Hersteller entschieden hatte, musste ich die richtige Länge bestimmen.
Die gibt es in verschiedenen Abstufungen und ich habe die Länge gewählt, die meiner später gewünschten Schubladenlänge am ehesten entsprach. Danach konnte ich erst die tatsächliche Länge der fertigen Schubladen berechnen. Im Katalog des Herstellers wird der Aufbau und die Anbringung der Auszüge ausführlich erklärt. Die Länge der Schienen anhand dieser Informationen zu berechnen ist kein Problem.

Da ich mich für einen Auszug mit Aufstecktechnik entschieden habe, musste ich unter dem Boden der Schublade genug platz vorsehen. Der fehlt natürlich später im Inneren der Schublade. Aber das ist in diesem Fall nicht so schlimm. Außerdem musste ich an der Rückwand unter dem Boden zwei Ausklinkungen für die Schienen aussägen.
Die orangenen Griffe werden an der Front der Schublade festgeschraubt und mit ihnen kann später die Schublade aus den Schienen ausgehängt werden.
… If you’d just lay down your tracks
Damit die Höhe der Schubladen im Korpus passt, müssen die Schienen im richtigen Abstand zur Oberkante im Korpus angebracht werden. Hier helfen auch wieder die Formeln und Skizzen im Katalog des Auszugherstellers. Einige komplizierte Berechnungen und Tests später konnte ich mit dem Streichmaß die Linie für die Löcher im Korpus der Nachttische anzeichnen. Die Position sollte schon relativ gut passen, kann aber später noch feinjustiert werden.

Sowohl die horizontale als auch vertikale Position (und damit auch die Neigung der Front) können durch die Stellschrauben an den orangenen Griffen eingestellt werden. Man kann auch den Abstand der Front noch minimal korrigieren, sodass die Front bündig mit dem Korpus abschließt. Das ist die komfortabelste Variante an Auszügen und bei anderen Herstellern nicht unbedingt Standard.
Nachdem ich alle Löcher angezeichnet habe, muss ich sie nur noch vorbohren.

Um nicht durch den Korpus durchzubohren, wickele ich etwas Kreppband um den Bohrer an die Stelle, bis zu der Bohrer ins Holz eindringen soll. Damit kann ich sicher sein, dass alle Löcher ausreichend tief sind.
Anschließend können die Schienen mit den mitgelieferten Schrauben angeschraubt werden.

Und wenn dann alles montiert ist, sieht das Ergebnis sieht dann wie folgt aus:

Damit ihr euch von der Soft-Close-Technik einen Eindruck machen könnt, habe ich davon auch mal ein Video gemacht.
Die Schienen gleiten gut und auf den letzten Millimetern wird die Schublade wie von Geisterhand eingezogen. Selbst wenn man sie mal etwas fester zu schiebt, knallt sie nicht gegen den Anschlag, sondern wird immer gedämpft.
tl;dr: Daten und Fakten
Damit ihr ein Gefühl dafür bekommt, was ich für die Schubladen investiert habe, hier noch die Aufstellung der Kosten der einzelnen Komponenten.
Gegenstand | Anzahl | Kosten [€] |
---|---|---|
Seitenteil Multiplex | 4 | 3,72 |
Rückwand Multiplex | 2 | 1,86 |
Front Multiplex (Test) | 2 | 3,28 |
Front Buche | 2 | 1,08 |
Bodenplatte | 2 | 8,56 |
Auszüge | 2 | 36,76 |
Gesamt | 55,26 |
Aufgebaut habe ich alles in ca. 8 Stunden inklusive ausprobieren und Recherche der Teile im Vorfeld. Und insgesamt komme ich mit den Kosten für die Nachttische selber (ohne Sackgassen) auf 200€. Also vollkommen konkurrenzfähig zu gekauften Nachttischen. Aber eben nach meinen Vorstellungen selbst gebaut.