Ein Grund warum ich diesen Blog schreibe ist, um euch Anregungen zu geben. Wenn ihr am Anfang eines Projektes steht und recherchiert, wie ihr etwas umsetzen könnt, hoffe ich, dass ihr irgendwie auf meine Seiten kommt und hier Anregungen findet. Zum Teil dazu motiviert diesen Blog ins Leben zu rufen haben mich meine Freunde Alejandra und Philipp.
Die beiden haben selbst einen Blog: creativeturtle.de. Sehr empfehlenswert! Philipp erklärt euch dort von Grund auf die wichtigsten Dinge zu Raspberry Pis, Android und digitaler Privatspäre. Alejandra stellt Rezepte und Bücher vor. Schaut auf jeden Fall mal bei den beiden vorbei.
Das Problem
Da die beiden nicht erst seit meinem Blog wissen, dass ich gerne Dinge baue, oder sagen wir Probleme löse, haben sie mich gefragt ob ich ihnen mit einem Problem helfen könnte. Kurz umrissen: Die Sonne macht ihren Balkon und ihr Wohnzimmer im Sommer zu einem Backofen. Da sie zur Miete wohnen, können sie keine Markise anbringen. Ein Sonnenschirm wäre zu klein und zu anfällig bei Wind.
Die Idee und das Grundprinzip hatten die beiden im vorherigen Sommer schon getestet: zwei Bambusstangen festgebunden am Geländer und ein einfaches Sonnensegel aufgespannt zwischen den Stangen und Haken in einem Brett unter dem Dachvorsprung. Leider war das nicht stabil genug.
Challenge Accepted
Also eine Herausforderung wie ich sie liebe. Fassen wir die Anforderungen kurz zusammen:
- möglichst viel Fläche vor der Sonne schützen
- alles so bauen, dass keine bleibenden Schäden am Haus entstehen
- möglichst günstig und trotzdem stabiler als die Bambusstangen
- und muss es mit den zur Verfügung stehenden Mitteln (Werkzeug etc.) umzusetzen sein
Zusammen mit Philipp habe ich dann das neue Konzept entwickelt. In unserem Kick-Off haben die Ideen nur so gesprudelt. Klar, dass wir die Bambusstangen durch was stabileres ersetzen würden. Und eine Spannvorrichtung zum aufhängen und abnehmen des Sonnensegels würden wir benötigen. Aber wie alles so umsetzen, dass keine Löcher in Eigentum des Vermieters gebohrt werden müssen?
Kalter, harter Stahl
Bambus ist einer der schnellst wachsenden Baustoffe überhaupt. In Asien werden ganze Baugerüste aus Bambus gebaut. Auch für Hochhäuser! Dummerweise ist er nicht sehr haltbar und nach einem Jahr in Wind und Wetter waren die beiden Stangen ziemlich zerfasert. Passend zum Balkongeländer entschieden wir uns für verzinkte Stahlrohre. Ein erster Besuch im Baumarkt brachte uns aber schnell zur ernüchternden Erkenntnis, dass wir nicht alles lokal kaufen können würden.
Auch eine Anfrage bei ansässigen Stahlbauern blieb erfolglos. Zwar hatten die verzinkte Stahlrohre aller Couleur, aber zu einem Preis, der das Projekt hätte scheitern lassen. Also blieb nur das Internet: hier findet man nach kurzer Suche das benötigte Material und bekommt es auf die gewünschte Länge zugeschnitten. Bei den Versandkosten muss man bei einem zwei Meter langen Paket natürlich vorsichtig sein.
Schellen sind die halbe Miete
Um die Kräfte des Sonnensegels abzutragen befestigen wir die Stahlrohre am Geländer. Zu diesem Zweck verwenden wir Rohrschellen, die Rohre mit unterschiedlichen Durchmessern aufnehmen können.

Ursprünglich für den Sanitärbereich gedacht, wollen wir die verzinkten Stahlrohre mit den Schellen senkrecht am Geländer befestigen. Also müssen wir zwei Schellen miteinander verbinden: eine wird ums Geländer und eine um unsere Stahlrohr festgezogen.
Die Schellen haben eine angeschweißte Mutter um ein M8-Gewinde aufzunehmen.

Mit einer Gewindestange lassen sich zwei Schellen also problemlos verbinden. Ein Stück der Gewindestange wird in eine Schelle komplett eingeschraubt, bis sie blockiert. Die andere Schelle wird soweit aufgeschraubt, dass eine Ausrichtung noch möglich ist. Eine Kontermutter verhindert anschließend die Verdrehung der Schellen zueinander. So wird ein Wackeln der Rohre verhindert.

Die Schellen lassen sich nun einfach schließen und festziehen. Falls nötig (wenn der Vermieter meckert) lassen sich die Stahlrohre so auch in wenigen Minuten wieder abnehmen.
Und so werden aus zwei seelenlosen Stahlrohren die Pfosten für unser Sonnensegel.
Eine Hängepartie
An der einen Seite wird das Sonnensegel fix an der Hauswand eingehängt. Damit es nicht durchhängt muss es also an den Pfosten gespannt werden können. Dafür haben wir uns für Ösen an den Pfosten entschieden. Durch jeweils eine Öse wird das Gurtband durchgeführt. An der zweiten wird das Gurtband befestigt und anschließend das Sonnensegel gespannt.
Mangels Schweißgerät haben wir die Ösen in die verzinkten Stahlrohre geschraubt.

Das Gewinde der Öse muss lang genug sein um komplett durch das Stahlrohr geführt und auf der anderen Seite mit einer Mutter gesichert zu werden. Solche Ösen gibt es mit „eigenem“ Gewinde als Ringschraube (DIN 580, wen’s interessiert) oder wie eine Mutter mit Innengewinde, konsequenterweise als Ringmutter bezeichnet (DIN 582). Auch hier war die Beschaffung der Ringschrauben mit ausreichend langem Gewinde im Baumarkt schwierig.
Einfach selber machen
Da wir die Gewindestange für die Rohrschellen sowieso brauchten, entschieden wir uns Synergieeffekte zu nutzen und Ringösen zusammen mit der M8-Gewindestange zu verwenden, die wir schon zur Verbindung der Schellen benutzt hatten.

Um die Ringmuttern mit dem Stahlrohr zu verbinden bohrten wir zwei Durchgangslöcher pro Stahlrohr. Diese mussten idealerweise in einer Linie liegen, sodass die Ösen am Pfosten später übereinander sind. Auf der anderen Seite des Rohres wird das Ganze mit einer selbstsichernden Mutter gesichert.
Eine selbstsichernde Mutter hat den Vorteil, dass man die Mutter nicht mit einer weiteren kontern muss. Verwendet man nur eine einfache Mutter ohne sie zu kontern, kann es durch Temperaturschwankungen dazu kommen, dass sich die Mutter löst.

Das klingt alles soweit logisch. Doch hatte ich nicht bedacht, dass die Ringmutter auch in Richtung des Rings offen ist (nicht wie eine Hutmutter) und somit die Gewindestange nicht blockiert. Durch die Reibung in der selbstsichernden Mutter dreht sie die Gewindestange beim Anziehen mit und schraubt sie so immer weiter in die Ringmutter hinein. Dann ist da allerdings kein Platz mehr für das Gurtband oder was auch immer man in der Öse befestigen möchte.
Das Problem lies sich lösen indem wir die Mutter soweit auf die Gewindestange schraubten, dass gerade noch genug Gewinde für die Ringmutter aus der gegenüberliegenden Seite des Rohres rausschaut. Dann haben wir die Ringmutter aufgeschraubt und in Position gebracht und die Gewindestange beim weiter festziehen mit einer Zange festgehalten.
Beim Festziehen wird dann alles im Gewinde verspannt und die Ringmuttern können sich am Pfosten nicht mehr verdrehen.

Mit Nadel und Faden
Wir verwenden einen speziellen UV-beständigen Markisenstoff, den wir im Internet gefunden haben (auch hier konnten wir lokal leider nichts entsprechendes kaufen). Die Breite entsprach genau der gewünschten Breite des Sonnensegels, sodass wir in Längsrichtung die Webkanten der Stoffbahn nicht behandelt mussten. Die anderen beiden Kanten der Stoffbahn mussten wir Säumen oder einfassen, das sie sonst ausfransen, was bei einem Sonnensegel im Wind relativ schnell passieren würde.

Hierzu haben wir die (offenen) Stoffkanten bei etwa 2 cm angezeichnet und mit dem Bügeleisen zwei mal umgebügelt. So bekommen wir einen geraden eingeschlagenen Saum. Diesen haben wir dann mit einem einfachen Geradstich angenäht.
Um das Segel an der Hauswand einzuhängen und auch um es an den Pfosten zu spannen, haben wir an den Ecken Gurtband angenäht. Das verwendete Gurtband kennt der aufmerksame Leser meines Blogs noch von anderen spannenden Projekten wie: „Eine Kameratasche nähen“. Davon hatte ich mir mal einen Vorrat angelegt und noch genug übrig.

Wir haben es im 45°-Winkel auf den Segelstoff gesteckt, umlaufend festgesteppt und anschließend quer zur Zugrichtung mit Riegelnähten verriegelt. So verteilen wir die Zugkräfte und haben eine haltbare Naht.
Jetzt wird’s spannend
So, jetzt haben wir Pfosten, Widerlager, ein Segel und was kommt jetzt?!
(Freunde von Badesalz kennen den Rest des Satzes)
Sagen wir mal so, ein Sonnensegel lebt von der Spannung, sonst wäre es eine Sonnenfahne. Also müssen wir am variablen Ende (bei den Pfosten) ziehen. Hierfür verwenden wir die Ratsche eines Spanngurtes.

Der Zurrhaken der Ratsche wird in die untere Öse eingehängt. Das Gurtband, das vorher durch die obere Öse geführt wird, wird dann in die Ratsche eingefädelt und mit dieser gespannt. So kann man die Spannung gut einstellen und alles schnell wieder lösen und abbauen, falls es anfängt zu regnen.
Die Ringmuttern und die M8-Gewindestange sind ausreichend dimensioniert um die Zugkräfte ohne Probleme auszuhalten. Auch die Wandung des Rohres ist vollkommen ausreichend um den Zug entlang des Rohres zu verkraften.
Fazit
In nur einem Nachmittag Arbeit haben wir Alejandra und Philipp einen Sonnenschutz gebaut, der sich vor einer „richtigen“ Markise nicht zu verstecken braucht.

Das Segel lässt in ein paar Minuten von einer Person aufhängen und bietet einen wunderbaren Schutz vor der Sonne. Der Balkon der beiden ist so auch im Sommer wieder zu einem angenehmen Ort geworden. Außerdem knallt die Sonne so nicht mehr ins Wohnzimmer, aber es ist – im Gegensatz zu einem heruntergelassenen Rolladen – trotzdem hell.

Die Stoffbahn war lang genug um auch noch einen senkrechten Teil (Volant) für tiefstehende Sonne (oder aufdringliche Passanten) hängen zu lassen. So entsteht ein ganz neues Raumgefühl und es lässt sich gemütlich auf dem Balkon sitzen und entspannen.
Kosten
Die Kosten für das Material halten sich im Vergleich zum Nutzen definitiv in Grenzen. Hier eine kleine Aufstellung über die entstandenen Kosten:
Gegenstand | Anzahl | Kosten [€] |
---|---|---|
Markisenstoff | 1 | 65,97 |
Stahlrohr, verzinkt, 38mm Durchmesser, 2m | 2 | 42,04 |
Rohrschellen | 8 | 15,92 |
Ringmuttern | 4 | 11,60 |
Mutter, M8, verzinkt | 4 | 1,78 |
Muttern, M8, selbstsichernd, verzinkt | 4 | 1,98 |
Gewindestange, M8x1000mm | 1 | 1,99 |
Spanngurt mit Ratsche | 2 | 10 |
Gesamt | 151,28 |
Verzinktes Rohr und Gewindestäbe hatte ich noch dagehabt, Doller! 😅☺️😉
Sehr gut gelöst, dann haben die beiden ja einen schönen Lounge-Sommer vor sich.
Blog entwickelt sich sehr lesenswert!